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Pressemitteilung vom 16.12.2019

Datum: 16.12.2019

Kurzbeschreibung: Beantragte Hautstraffungs-OP gilt als genehmigt, wenn die Krankenkasse nicht rechtzeitig entscheidet und über Verzögerung nur mit nicht unterschriebenem Schreiben informiert

Die 61jährige, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin V lebt im Kreis Ludwigsburg. Nach einer von der KK bezahlten Magen-Bypass-Operation reduzierte sie ihr Körpergewicht um über 40 kg. Mitte April 2018 beantragte sie bei ihrer KK die Gewährung von Hautstraffungsoperationen am Bauch, den Brüsten, Oberarmen und Oberschenkeln. Sie leide u.a. an einer Makromastie (Brustfehlbildung), was sie auch psychisch belaste. Die KK informierte V am 11. Mai 2018 darüber, dass sie den Antrag nicht binnen der gesetzlichen Fünfwochenfrist bearbeiten könne, weil noch eine Untersuchung beim MDK erforderlich sei. Sie gehe davon aus, eine Entscheidung bis Anfang Juni 2018 treffen zu können. Dieses Schreiben war weder unterschrieben noch der Sachbearbeiter erkennbar, sondern lediglich „Mit freundlichen Grüßen Ihre KK“ unterzeichnet. Auf das nachfolgende MDK-Gutachten gestützt teilte die KK der V sodann Ende Mai 2018 - nach Ablauf der Fünfwochenfrist - mit, dass die Kosten für die Bauchdeckenstraffung, nicht jedoch für die weiteren Hautstraffungsoperationen übernommen würden. Es bestünden keine Hautreizungen. Zudem sei die erschlaffte Brust mit einem gut sitzenden BH zu kaschieren. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die KK zurück: Beim Hautmantelüberschuss an Oberarmen und Oberschenkeln sowie den Hängebrüsten handele es sich nicht um eine Krankheit. Es liege auch keine Entstellung vor. Die durch die Hautüberlagerung entste-henden Reizungen u.a. an Vs Hängebrust könnten ausreichend durch Hygienemaßnahmen und Salben be-handelt werden. Hinsichtlich ihrer psychischen Beschwerden könne sich V nervenärztlich und psychothera-peutisch behandeln lassen. Bei den weiteren Straffungsoperationen handle es sich um kosmetische Eingriffe.

Die hiergegen vor dem Heilbronner Sozialgericht erhobene Klage war erfolgreich: Aufgrund der eingetretenen Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V habe V einen Anspruch auf Gewährung stationärer Straffungsoperationen ihrer Brüste, ihrer Oberarme und ihrer Oberschenkel. So habe die KK über den Antrag der V nicht binnen der maßgeblichen Fünfwochenfrist entschieden. Nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V könne die Krankenkasse zwar, wenn sie die gesetzliche Fünfwochenfrist nicht einhalten kann, dies dem Leistungs-berechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mittteilen, so dass dann die Genehmigungs-fiktion nicht eintrete. Dem genüge das Schreiben vom 11. Mai 2018 mit der Grußformel „Mit freundlichen Grüßen Ihre KK“ nicht. Denn die Schriftform erfordere nach dem BGB eine Unterschrift. Zudem sei aus dem Schreiben kein Name – auch nicht der des Sachbearbeiters – ersichtlich. Dem Anspruch auf die Straffungs-operationen könne auch nicht entgegengehalten werden, die Eingriffe seien kosmetischer Natur. Entscheidend sei vielmehr, ob V die Leistung für erforderlich halten durfte und die Leistungen nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung stehen. Dies treffe hier zu. Der Sanktionscharakter der Genehmigungsfiktion würde letztlich leerlaufen, wenn die KK nach Nichtbeachtung der gesetzlichen Fünfwochenfrist anschließend mit Erfolg einwenden könnte, die beantragte Leistung hätte im konkreten Fall gar nicht bewilligt werden dürfen.
Az.: S 14 KR 3166/18, Urteil vom 22. November 2019, nicht rechtskräftig

Hinweis zur Rechtslage:

§ 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]:

1Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. 2Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüg-lich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. 3Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. 4(…) 5Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 (…) nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. 6Erfolgt keine Mittei-lung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. 7Beschaffen sich Leis-tungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. (…).

§ 126 Abs. 1 BGB:

Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

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