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Pressemitteilung

Datum: 04.05.2021

Kurzbeschreibung: Jobcenter muss nach einem Umzug während der Corona-Pandemie übergangsweise auch unangemessene Unterkunftskosten übernehmen

Der 1960 geborene Kläger lebte bis Ende Januar 2021 in einer Mietwohnung in Heilbronn und bezog seit längerem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Jobcenter der Stadt Heilbronn. Im November 2020 unterzeichnete er einen Arbeitsvertrag zum 01.01.2021 über eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als Sachbearbeiter mit einem Arbeitgeber in Ilsfeld im Landkreis Heilbronn. Zudem schloss der Kläger mit dem Arbeitgeber einen ab 01.02.2021 gültigen Mietvertrag über eine 55 m² große Werkdienstwohnung in Ilsfeld ab. Die vom Kläger zu zahlende Gesamtmiete belief sich laut Vertrag auf 840 € pro Monat (700 € Kaltmiete und 140 € Nebenkosten).

Eine bereits vor Vertragsabschluss beantragte Genehmigung des Umzuges lehnte das für Ilsfeld örtlich zuständige Jobcenter Landkreis Heilbronn ab, weil die vom Kläger gewünschte Wohnung unangemessen teuer sei. Das Jobcenter Landkreis Heilbronn bewilligte dem Kläger nach seinem Umzug Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Februar bis Juli 2021 und berücksichtigte als Kosten der Unterkunft (KdU) lediglich 504,79 € pro Monat (381 € Kaltmiete, 39 € kalte Nebenkosten, sowie 84,79 € Heizkosten). Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Die vor dem Heilbronner Sozialgericht erhobene Klage war erfolgreich: Das Gericht verurteilte das beklagte Jobcenter, dem Kläger in der Zeit von Februar bis Juli 2021 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 335,21 € pro Monat zu gewähren. Aufgrund der im Zuge der Corona-Pandemie eingeführten und übergangsweise gültigen Sonderregelung des § 67 Abs. 3 S. 1 SGB II gälten die tatsächlichen KdU des Klägers im vorliegend streitigen Zeitraum als angemessen, weshalb sie vollständig zu übernehmen seien. Entgegen der Auffassung des Beklagten finde die Vorschrift Anwendung, auch wenn weder die Hilfebedürftigkeit noch der Umzug direkt auf die Corona-Pandemie zurückzuführen seien. Weder dem Wortlaut der Vorschrift, noch den Gesetzesmaterialien lasse sich entnehmen, dass die Sonderregelung nur für bereits seit längerem bewohnte Wohnungen gelten solle. Gesetzeszweck des § 67 Abs. 3 SGB II sei, dass sich SGB II-Leistungsbezieher in der Zeit der Pandemie nicht auch noch um ihren Wohnraum sorgen müssten. Komme es jedoch nach einem tatsächlich erfolgten Umzug aufgrund der Deckelung der KdU-Leistungen auf die Angemessenheitsgrenze zu einer Deckungslücke zwischen den anfallenden KdU einerseits und den vom Jobcenter gewährten KdU-Leistungen andererseits, sei die aktuell bewohnte Wohnung bedroht. Diese Bedrohung solle nach § 67 Abs. 3 SGB II zumindest vorübergehend vermieden werden.

Az.: S 8 AS 380/21, Urteil vom 26. März 2021, nicht rechtskräftig

Hinweis zur Rechtslage: 


§ 22 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch  [SGB II]:

Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

 

§ 67 Abs. 1 und 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch  [SGB II]:

Gemäß § 67 Abs. 1 SGB II unterliegen Leistungen für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 01.03.2020 bis zum 31.03.2021 beginnen, Sonderregelungen. Nach § 67 Abs. 3 S. 1 SGB II ist § 22 Absatz 1 SGB II mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Dauer von sechs Monaten als angemessen gelten.



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