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Pressemitteilung

Datum: 08.07.2025

Kurzbeschreibung: Sozialamt muss Zwangsbeiträge zur Krankenversicherung für Asylbewerber übernehmen

Das Sozialamt muss Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Rahmen einer sogenannten obligatorischen Anschlussversicherung für einen Asylbewerber übernehmen. Dies hat die 15. Kammer des Sozialgerichts Heilbronn in einem jüngst veröffentlichten Beschluss im Rahmen eines Eilverfahrens entschieden. 

Der 1995 geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und bezieht als Asylbewerber vom Sozialamt derzeit monatliche Grundleistungen i.H.v. 397 €. Er arbeitete von Oktober 2024 bis Ende Februar 2025 als Helfer in der Lagerwirtschaft und war währenddessen als Arbeitnehmer bei der AOK Baden-Württemberg in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert. Im Anschluss daran machte die AOK gegenüber dem Antragsteller monatliche Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 252,17 € für eine freiwillige Mitgliedschaft im Rahmen der sogenannten obligatorischen Anschlussversicherung geltend. Das Sozialamt übernahm die Beiträge nicht, sondern berief sich auf einen Erlass des Justizministeriums, wonach die Beiträge nicht übernahmefähig seien.

Der Antragsteller wandte sich im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz an das Sozialgericht und machte geltend, es bestehe eine existenzbedrohende Lage durch drohende Schulden und Risiken für seine gesundheitliche Versorgung. Der Eilantrag war erfolgreich: Das Gericht verpflichtete das Sozialamt zur Übernahme der von der AOK geltend gemachten Beiträge auf der Grundlage von § 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Diese Vorschrift ermögliche eine von den Grundleistungen abweichende Leistungsgewährung bei besonderen Bedarfslagen, um im Einzelfall ein menschenwürdiges Existenzminimum sicherzustellen. Die Übernahme der Beiträge zur obligatorischen Anschlussversicherung sei zur Sicherung des Lebensunterhalts des Antragstellers unerlässlich. Er müsse monatliche Beiträge in Höhe von insgesamt 252,17 € entrichten und habe keine Möglichkeit, dieser Verpflichtung zu entgehen. Angesichts der vom Sozialamt gewährten Grundleistungen i.H.v. 397 € verblieben dem Antragsteller pro Monat nur noch 144,83 € zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, was eine offensichtliche Unterdeckung des Existenzminimums bedeute.

Az.: S 15 AY 1361/25 ER, Beschluss vom 23.06.2025, nicht rechtskräftig

Hinweis zur Rechtslage:

§ 6 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz  [AsylbLG]:

Sonstige Leistungen können insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerläßlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. 2Die Leistungen sind als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren.

 

§ 188 Abs. 4 S. 1 u. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch  [SGB V]:

Für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, setzt sich die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt. 2Der Austritt wird nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist. 

 

§ 20 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch  [SGB XI]:

Freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung.



Haben Sie Fragen zu dieser Pressemitteilung oder kann das Sozialgericht Heilbronn sonst noch etwas für Sie tun? Sie können sich gern an die Pressestelle des Sozialgerichts wenden:

Joachim von Berg

Vizepräsident des Sozialgerichts

Tel. 07131/7817-219

 

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