Ein Ausschluss von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für einen abgelehnten Asylbewerber ist rechtswidrig, wenn eine freiwillige Ausreise nicht ohne Weiteres möglich ist. Dies hat die 15. Kammer des Sozialgerichts Heilbronn in einem jüngst veröffentlichten Beschluss im Rahmen eines Eilverfahrens entschieden.
Der 1981 geborene ledige Antragsteller ist nach eigenen Angaben marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste im September 2024 nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, nachdem er bereits in Slowenien einen Asylantrag gestellt hatte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte seinen Asylantrag als unzulässig ab, stellte fest, dass keine Verbote für eine Abschiebung nach Slowenien vorliegen und ordnete die Abschiebung nach Slowenien an.
Die Klage des Antragstellers dagegen vor dem Verwaltungsgericht blieb erfolglos. Die slowenischen Behörden erklärten sich für die Übernahme des Antragstellers im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens zuständig. Der Antragsteller erhielt zunächst vom Landratsamt Schwäbisch Hall (LRA) Grundleistungen nach dem AsylbLG in Höhe von monatlich 397 €. Nachdem ihm eine sogenannte Dublin-Verfahrensbescheinigung ausgestellt worden war, stellte das LRA die Leistungen für den Antragsteller zunächst komplett ein und bewilligte ihm auf seinen Widerspruch hin nur noch monatliche Überbrückungsleistungen i.H.v. 192,86 €.
Der Antragsteller wandte sich im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz an das Sozialgericht und machte geltend, der Leistungsausschluss bzw. die Leistungskürzung seien verfassungs- und europarechtswidrig. Ein Leistungsausschluss setze nach § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG eine Feststellung des BAMF voraus, dass die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich sei. In den sogenannten Dublin-Fällen sei eine freiwillige Ausreise nicht ohne Weiteres möglich. Damit habe es der Antragsteller nicht selbst in der Hand, den Leistungsausschluss abzuwenden.
Der Eilantrag war erfolgreich: Das Gericht verpflichtete das LRA, weiterhin monatliche Grundleistungen i.H.v. 397 € zu gewähren. Es fehle vorliegend an einer Feststellung des BAMF, dass die Ausreise für den Antragsteller tatsächlich und rechtlich möglich sei. Diese Feststellung sei nach dem Wortlaut des seit 31.10.2024 gültigen § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG Voraussetzung für einen Leistungsausschluss. Insbesondere eine freiwillige Ausreise sei im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens nicht ohne Weiteres möglich, da eine selbstinitiierte Ausreise in den zuständigen Dublin-Staat ein aufwändiges Verwaltungsverfahren erfordere. Vielmehr sei in diesen Fällen die kontrollierte Überstellung durch Abschiebung der Regelfall. Damit habe es der Antragsteller nicht selbst in der Hand, den Leistungsausschluss abzuwenden. Zwar habe der Gesetzgeber mit dem zum 31.10.2024 eingeführten Leistungsausschluss eine Verhinderung von Sekundärmigration von abgelehnten Asylbewerbern innerhalb der EU verhindern wollen. Das Gericht habe aber nicht entgegen dem Wortlaut der Vorschrift entscheiden können. Schließlich sei es nicht nachvollziehbar, weshalb die Ausländerbehörde den Antragsteller noch nicht abgeschoben habe, obwohl die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.
Az.: S 15 AY 1887/25 ER, Beschluss vom 22.09.2025, nicht rechtskräftig
Hinweis zur Rechtslage:
§ 1 Abs. 1 Nr. 5 Asylbewerberleistungsgesetz [AsylbLG]: Leistungsberechtigt nach diesem Gesetz sind Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist.
§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 Asylbewerberleistungsgesetz [AsylbLG]: Leistungsberechtigte nach Absatz 1 Nummer 5, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 31 Absatz 6 des Asylgesetzes als unzulässig abgelehnt wurde, für die eine Abschiebung nach § 34a Absatz 1 Satz 1 zweite Alternative des Asylgesetzes angeordnet wurde und für die nach der Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist, haben keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz. Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von zwei Wochen, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 2. |
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Joachim von Berg
Vizepräsident des Sozialgerichts
Tel. 07131/7817-219
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