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Pressemitteilung

Datum: 30.03.2023

Kurzbeschreibung: Anerkennung von Zivilcourage und Schutz von Opfern von Gewalttaten

Der 1987 geborene Kläger lag am 28. Dezember 2016 zusammen mit seinen Brüdern im Elternhaus und schlief, als sich gegen 1:00 Uhr eine ungefähr 15 Personen große Gruppe rücksichtslos lärmender und über Boxen Musik abspielender Jugendlicher vor dem Haus versammelte. Als der ältere Bruder des Klägers die Gruppe vom Balkon aus ansprach und diese bat, an einem anderen Ort weiter zu feiern, wurde dieser aus der Gruppe heraus verbal angepöbelt. Der jüngere Bruder des Klägers ging vor das Haus und auf die Gruppe zu. Der ältere Bruder des Klägers ging auch nach draußen zu der Gruppe Jugendlicher und seinem jüngeren Bruder und bat die Gruppe erneut, zu gehen, woraufhin die verbale in eine körperliche Auseinandersetzung mündete. Der ältere Bruder des Klägers rannte zurück ins Elternhaus, um den Kläger mit den Worten „Die schlagen X.“ zur Hilfe zu holen. Der Kläger rannte im Schlafanzug aus dem Haus auf die Gruppe zu, hob die Hände und rief „Verpisst Euch!“, woraufhin er aus der Gruppe heraus einen Faustschlag versetzt bekam, ohnmächtig wurde und zahlreiche Verletzungen erlitt. 

Das Land Baden-Württemberg lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) ab. Der Kläger sei zwar Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden und habe hierdurch eine gesundheitliche Schädigung erlitten. Jedoch liege ein Versagungsgrund vor, weil die Gewährung einer Entschädigung unbillig sei, da der Kläger sich leichtfertig an einer Schlägerei beteiligt und damit zum Geschehen selbst beigetragen habe. Ferner habe der Kläger keine Vorkehrungen unternommen, bereits im Vorfeld das Eskalieren der Auseinandersetzung zu vermeiden.

Das Sozialgericht Heilbronn hat die mit der Klage angefochtenen Bescheide des Landes Baden-Württemberg aufgehoben und festgestellt, dass die vom Kläger erlittenen Verletzungen Folgen der am 28. Dezember 2016 verübten Gewalttat nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten seien. Die Vernehmung des Klägers und seines älteren Bruders habe ergeben, dass der Kläger von seinem älteren Bruder um Beistand gebeten worden sei und sich nach draußen begeben habe, um seinen jüngeren Bruder vor Verletzungen zu bewahren. Es sei nicht ansatzweise ersichtlich, dass der Kläger im Vorfeld der Auseinandersetzung Provokationshandlungen vorgenommen habe. Alleine die Aussage gegenüber der Gruppe der Jugendlichen „Verpisst Euch!“ sei in einer emotional aufgeladenen und enorm hektischen Situation dem Kläger nicht zum Vorwurf zu machen. Zudem sei der Kläger unmittelbar nach Verlassen des Hauses infolge eines Schlages ohnmächtig geworden und habe daher naturgemäß keine aktiven Handlungen mehr vornehmen können. Schließlich habe das beklagte Land nicht dargelegt, was genau der Kläger zur Verhinderung des Eskalierens der Auseinandersetzung konkret hätte tun sollen.

Az.: S 7 VG 2991/18, Urteil vom 11. Januar 2023, rechtskräftig


Hinweise zur Rechtslage:

§ 1 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten

Opferentschädigungsgesetz [OEG]:

 

Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.

 

§ 2 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten

Opferentschädigungsgesetz [OEG]:

 

Leistungen sind zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren.



Haben Sie Fragen zu dieser Pressemitteilung oder kann das Sozialgericht Heilbronn sonst noch etwas für Sie tun? Sie können sich gern an die Pressestelle des Sozialgerichts wenden:


Claudia Toberer (Pressesprecherin)

Richterin am Sozialgericht

Tel. 07131/7817-319


Antje Groß (stellvertretende Pressesprecherin)

Richterin am Sozialgericht

Tel.: 07131/7817-307 

 

Erreichen Sie keinen von beiden, können Sie auch Herrn von Berg, Vizepräsident des Sozialgerichts, kontaktieren (Tel. 07131/7817-221).

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